Im Schatten des Angriffs: Wie Kriege Gesellschaften zum Schweigen bringen

US-Angriff auf den Iran offen­bart glo­ba­le Risi­ken – und eine Gesell­schaft, die sich selbst nicht mehr zuhört.

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Die Angrif­fe der USA auf ira­ni­sche Atom­an­la­gen haben immer­hin auch welt­wei­te Kri­tik aus­ge­löst. Nur in Deutsch­land gibt vor allem die Poli­tik – vor dem erhoff­ten Wohl­ge­fal­len des blon­den Kap­pen­trä­gers in Washing­ton – den treu­en Vasal­len. Nicht nur, dass das Vor­ge­hen der Amis einen Flä­chen­brand im Nahen Osten ent­fa­chen könn­te – mit unab­seh­ba­ren Fol­gen für die glo­ba­le Ord­nung –, son­dern weil er eine bit­te­re und noch sehr kon­kre­te Erin­ne­rung wach­ruft: Wie oft schon hat der Wes­ten unter dem Ban­ner von Sicher­heit und Frei­heit Inter­ven­tio­nen begon­nen, deren Nach­wir­kun­gen bis heu­te gan­ze Regio­nen erschüttern?

Afgha­ni­stan. Irak. Liby­en. Syri­en. Die Lis­te ist lang, die Leh­ren sel­ten gezo­gen. Auch jetzt war­nen Fach­leu­te ein­dring­lich vor einem Regime­wech­sel im Iran. Die Ver­gan­gen­heit zeigt: Was als stra­te­gi­sche Ent­schei­dung unter „Zuhil­fe­nah­me“ gran­dio­ser Lügen (Geheim­diens­te und Regie­run­gen) ver­kauft wird, endet nicht sel­ten in staat­li­chem Zer­fall, Extre­mis­mus und end­lo­sem Leid für die Zivilbevölkerung.

Die mit­schwin­gen­de Hoff­nung, dass es im Iran zu einem Regi­me­ch­an­ge kom­men könn­te, klingt hohl und wer wirk­li­che Exper­ten im eige­nen Land hört
(Navid Ker­ma­ni) wird begrei­fen, wie klein die Chan­ce dar­auf ist bzw. dass eher das Gegen­teil ein­tre­ten könnte.

Wäh­rend­des­sen bli­cken die NATO-Mit­glie­der sor­gen­voll, aber vor allem erge­benst auf den tum­ben CEO der USA, der wohl kaum unbe­re­chen­ba­rer sein könn­te und sichert beim NATO-Gip­fel pflicht­schul­digst die fünf Pro­zent vom BIP zu. In Deutsch­land wer­den also mehr als 220 Mil­li­ar­den Euro im Haus­halt für Waf­fen und ande­re mili­tä­ri­sche Bedürf­nis­se bereit­ge­stellt. Wir haben es ja. Man muss nur die Augen öff­nen oder z.B. Bahn oder Auto­bahn fahren. 

Wenn der Hege­mon ruft, hat der Lakai die Klap­pe zu hal­ten und zu fol­gen. Selt­sam, wie wenig sich unse­re Gesell­schaf­ten wei­ter­ent­wi­ckelt haben. Aus mei­ner Sicht: der pure Wahn­sinn! Der Zusam­men­halt des west­li­chen Bünd­nis­ses steht auf dem Spiel – nicht zuletzt, weil Ver­trau­en durch Eigen­sinn ersetzt wur­de, Diplo­ma­tie durch Drohkulissen.

Und doch scheint das viel­leicht noch Beun­ru­hi­gen­de­re nicht auf den Welt­büh­nen statt­zu­fin­den – son­dern in unse­ren Gesell­schaf­ten – auch unse­rer eigenen.

Sind wir dabei, ein­an­der zu ver­lie­ren? Immer häu­fi­ger ist zu hören, dass sich unse­re Gesell­schaf­ten spal­ten. Dass Dia­log zur Aus­nah­me wird, Miss­trau­en zur Regel. Und viel­leicht ist da etwas dran: Wir, die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger demo­kra­ti­scher Staa­ten, hören ein­an­der nicht mehr zu. Und das, obwohl wir doch demo­kra­ti­sche Grund­über­zeu­gun­gen qua­si mit der Mut­ter­milch auf­ge­so­gen haben soll­ten. Davon ging ich zumin­dest lan­ge Zeit aus. Wir reden in Echo­räu­men, glau­ben nur noch denen, die klin­gen wie wir selbst. Was nicht ins eige­ne Welt­bild passt, wird als feind­lich abge­stem­pelt – oder ein­fach ignoriert.

Wenn mein Befund stimmt, ist es wenig ver­wun­der­lich, dass Erwar­tun­gen ins Lee­re lau­fen und in einer erschre­cken­den Wei­se naiv wir­ken. Dass Men­schen sich von Regie­run­gen ent­frem­den, die zwar noch gewählt, aber kaum noch als ver­tre­tend emp­fun­den wer­den. Viel­leicht des­halb wächst das Gefühl, nicht mehr gehört zu wer­den – von „denen da oben“, aber auch von „denen neben­an“.

Der Angriff auf die ira­ni­schen Anla­gen wirft vie­le Fra­gen auf – geo­po­li­ti­sche, mili­tä­ri­sche, mora­li­sche. Aber auch eine lei­se, unbe­que­me Fra­ge an uns selbst:

Was pas­siert mit einer Welt, in der das Zuhö­ren auf­hört? Viel­leicht kommt die Ent­wick­lung daher, dass ja auch alles schon gesagt und auf­ge­schrie­ben wurde?

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Iran Kriege Spaltung USA

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4 Gedanken zu „Im Schatten des Angriffs: Wie Kriege Gesellschaften zum Schweigen bringen“

  1. Wenn, und ich sage aus­drück­lich wenn, es tat­säch­lich so war, dass der Iran kurz vor Fer­tig­stel­lung der Atom­bom­be stand, ist Trump ein Coup gelun­gen. Ers­tens kann er behaup­ten die Welt einen nuklea­ren Schur­ken­staat in die Knie gezwun­gen zu haben und zwei­tes ist er damit in der Liga der gro­ßen War­lords die­ser Welt wie­der die Num­mer eins. Die­ses poli­ti­sche Kal­kül, so es denn eins war, gleicht sei­ne Schlap­pe mit Russ­land aus, wür­de ich behaupten. 

    Man kann Trump ja alles vor­wer­fen, aber er hat einen Instinkt, der sei­nes­glei­chen sucht. Dass das Bom­bar­de­ment durch­aus Erfolg hat­te, lässt mei­nes Erach­tens allein die klein­lau­te Reak­ti­on des ira­ni­schen Außen­mi­nis­ters Araght­schis ver­mu­ten, zudem der ver­zwei­fel­te Ver­such einer Ver­gel­tung, die kei­ne war. 

    Was mich stört ist wie­der ein­mal die kriegs­gei­len deut­schen Jour­na­lis­ten, die vor sich hin­plär­rend, Euro­pa wür­de in die Bedeu­tungs­lo­sig­keit fal­len, wenn es nicht end­lich bei den Krie­gen die­ser Welt mit­mischt, um end­lich auf der Welt­büh­ne eine Rol­le spie­len. Die gehö­ren aus der Schreib­stu­be an die nächs­te Front gezerrt, da kön­nen sie ihre Kriegs­träu­me ausleben.

  2. „Dass Men­schen sich von Regie­run­gen ent­frem­den, die zwar noch gewählt, aber kaum noch als ver­tre­tend emp­fun­den werden.“
    Bei M.Lanz gab es zuletzt auch das Argu­ment, dass sich vie­le Israe­lis heu­te vor­wer­fen, nicht gewählt zu haben, wodurch dann die jet­zi­ge Netan­ja­hu-Regie­rung erst mög­lich wur­de. Durch feh­len­de ande­re Koal­ti­ons­mög­lich­kei­ten. Das macht mich schon nach­denk­lich, auch, weil nach mei­ner Beob­ach­tung vie­le der lau­tes­ten Regie­rungs­kri­ti­ker die sind, die „nicht“ wäh­len waren/​gehen.

    „.…dass ja auch alles schon gesagt und auf­ge­schrie­ben wur­de?“ Das dach­te ich unlängst auch noch, Horst, aber wenn es stimmt, dass „man nie­mals zwei­mal in den­sel­ben Fluss springt“ dann ist nie etwas gleich dem schon dagewesenen.

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