Wenn einer von uns geht – Erinnerungen

Ein alter Freund stirbt, Erin­ne­run­gen erwa­chen. Gedan­ken über Ver­lust, Kame­rad­schaft und das Leben.

HS230625

Horst Schulte

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Die Nach­rich­ten sind düs­ter und depri­mie­rend, und das alles bei herr­li­chem Son­nen­schein. Sofort fällt mir ein Lied des nie­der­län­di­schen Lie­der­ma­chers, Robert Long ein. Er behaup­te­te: „In der Son­ne sieht die Welt viel schö­ner aus“ und kommt nur einen Halb­satz spä­ter mit der bru­ta­len Erkennt­nis her­aus, sie (die Erde) sei genau genom­men nur ein Punkt im All.

Aktu­el­le, dafür aber ganz schön alte Poli­ti­ker, alle­samt eben unbe­lehr­ba­re Män­ner, sind beses­sen von Krieg und las­sen ihrer Aggres­si­on frei­en Lauf. Sie töten und quä­len unschul­di­ge Men­schen und WIR sehen atem- und hilf­los zu. Es könn­te anders sein, aber wer soll mit die­sem Mist see­lisch noch klarkommen?

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Heu­te erfuhr ich, dass ein alter Schul­freund gestor­ben ist. Die Beer­di­gung hat schon statt­ge­fun­den. Die­se Nach­richt hat mich tief getrof­fen, obwohl ich ihn schon sie­ben Jah­re nicht mehr gese­hen habe. Dabei wohn­te er im Nach­bar­ort. Bei mir macht sich auch schlech­tes Gewis­sen breit. Wir waren doch gute Freun­de und haben nicht nur wäh­rend unse­rer gesam­ten Schul­zeit, son­dern auch vie­le Jah­re in der ört­li­chen Jugend­feu­er­wehr und in unse­rer gemein­sa­men Frei­zeit zusam­men Spaß gehabt. Wir haben gemein­sam Rei­sen unter­nom­men und hät­ten schon dadurch immer genü­gend Gesprächs­stoff für unse­re sel­te­nen Tref­fen gehabt.

2018 haben wir uns aus Anlass des 50. Jah­res­ta­ges der Grün­dung der Jugend­feu­er­wehr zuletzt getrof­fen. Aus unse­rer Grup­pe sind schon eini­ge ver­stor­ben. Das macht mich trau­rig, obwohl ich wie jeder von uns weiß, dass unse­re Zeit end­lich ist. Es wirkt nach, dass ein paar von uns sich bei die­sem Tref­fen in die Hand ver­spro­chen haben, dass wir uns etwas regel­mä­ßi­ger sehen woll­ten. Und – was ich dar­aus gewor­den? Ja, natür­lich haben wir es selbst in der Hand. 

Ich bin 1982 nach vie­len Jah­ren aus der Feu­er­wehr aus­ge­tre­ten und trotz­dem gibt es die­se alte Ver­bun­den­heit zu den Kame­ra­den, wie das auch heu­te immer noch heißt. Wenn ich dar­über nach­den­ke, wie vie­le Jah­re seit­dem ver­gan­gen sind, ist das etwas Beson­de­res – jeden­falls für mich. Sicher liegt das dar­an, dass man sich in einem so klei­nen Städt­chen immer wie­der ein­mal über den Weg läuft. Hin­ter die­ser gefühl­ten Ver­bun­den­heit steckt aber wohl mehr.

Viel­leicht ist es das lei­se Wis­sen dar­um, dass bestimm­te Ban­de nie­mals ganz rei­ßen. Auch wenn der All­tag sich dazwi­schen­schiebt wie ein dich­ter Nebel, bleibt unter der Ober­flä­che etwas bestehen – ein gemein­sa­mer Takt, der mit der Jugend begann. Wenn jemand stirbt, mit dem man Erin­ne­run­gen teilt, stirbt auch ein Stück die­ser Zeit. Und auf ein­mal wird einem bewusst, wie flüch­tig sie war, wie schnell wir alt gewor­den sind.

Ich sehe ihn noch vor mir – wie er damals, mit manch­mal ver­schwitz­ten Gesicht und die­sem jun­gen­haf­ten Lachen. Wir, die wir C- und B‑Längen aus- und ein­ge­rollt haben und unse­rer frei­täg­li­chen Übung im Som­mer­re­gen her­um­al­ber­ten. Oft haben wir außer­halb des „Diens­tes“ Fuß­ball gespielt und dank die­ses dabei gezeig­ten Ehr­gei­zes sogar ein Tur­nier auf Kreis­ebe­ne gegen alle ande­ren Jugend­feu­er­weh­ren gewonnen.

Damals schien die Welt noch heil. Und nun? Jetzt steht man da, stumm, mit nas­sen Augen, wäh­rend drau­ßen die Son­ne scheint, als wol­le sie trot­zig mit­tei­len, dass das Leben ein­fach weitergeht.

Aber jetzt ist wie­der einer von uns gegan­gen. Und auch wenn die Welt sich wei­ter­dreht, bleibt sie für einen Moment ste­hen. Zumin­dest in mir. Es gibt die­sen dum­men Spruch: „Die Ein­schlä­ge kom­men näher“. So mar­tia­lisch, so zutref­fend, den­ke ich. Es scheint jeden­falls in die­se Zeit zu pas­sen. RIP, Uli. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Freundschaftserinnerung Jugendfeuerwehr Trauerarbeit

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4 Gedanken zu „Wenn einer von uns geht – Erinnerungen“

  1. Tref­fen­de Wor­te zu einem trau­ri­gen Anlass.

    Mein Bei­leid.

  2. Was für ein schö­ner Text zum trau­ri­gen Anlass!
    Und moti­vie­rend, die Kon­tak­te zu noch Leben­den wie­der auf­zu­neh­men bzw. zu wertschätzen!
    Dan­ke und herz­li­ches Beisleid!

  3. Gerhard 245 20. Juni 2025 um 17:09

    Ich habe nach dem Tod eines Klas­sen­ka­me­ra­den im August 2023 eini­ge ganz weni­ge Kon­tak­te wie­der ins Leben brin­gen kön­nen, eini­ge nicht Es braucht eini­ge Stur­heit, auf ein Wie­der­se­hen zu drängen.
    Ein jeder ist zu mit Verpflichtungen/​Terminen und ist auch müde, mit vol­ler Ener­gie Tag für Tag weiterzugehen.
    Sol­che gemein­sa­men Ver­spre­chun­gen wie Du erwähnt hat­test, sind eigent­lich nur Aus­druck, daß das Leben nicht enden soll, das alles Erleb­te wie­der­auf­zu­le­ben mög­lich ist.
    Ich habe bei einem Begräb­nis eines Musi­kers vor 16 Mona­ten, mit dem ich auch lan­ge Zeit freund­schaft­lich ver­bun­den war, zu einem ande­ren dort gesagt: „Ver­sprich mir, daß Du zu mei­ner Beer­di­gung kommst!“.

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